mahnruf oberösterreich. Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie

Die Anerkennung sogenannter „Berufsverbrecher“ als NS-Opfer durch eine blitzartige Novellierung des Opferfürsorgegesetzes (OFG) verwässert den Opfer- und Widerstandsbegriff. Sowohl die Gesetzesänderung als auch die Berichterstattung dazu übersehen notwendige Differenzierungen zwischen tatsächlichem Widerstand gegen das NS-Regime und kriminellen Handlungen, wodurch die historische Integrität und Bedeutung des antifaschistischen Widerstands gefährdet sind.

Die jüngste Anerkennung der sogenannten „Berufsverbrecher“ als Opfer des Nationalsozialismus durch eine Novellierung des Opferfürsorgegesetzes wurde in einem ORF-Bericht mit dem Titel „Der ‚grüne Winkel‘ als Tabu“ gewürdigt. Doch beides – die Gesetzesänderung selbst wie auch der ORF-Artikel – verkennen die tiefgreifenden und notwendigen Differenzierungen, die in dieser Debatte um Widerstand und Verfolgung essenziell sind.

Die Novelle des Opferfürsorgegesetzes, wonach sogenannte „Berufsverbrecher“ nun als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werden, stellt eine gefährliche und abzulehnende Gleichsetzung mit tatsächlichen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern dar. Also jener Heldinnen und Helden, die einen entscheidenden Beitrag zur Befreiung Österreichs vom deutschen Faschismus leisteten, wie es in der Moskauer Deklaration von 1943 gefordert wurde. Diese Deklaration der Alliierten forderte einen aktiven österreichischen Beitrag ein. Es ist skandalös, Berufsverbrecher mit jenen auf eine Stufe zu stellen, die bewusst und organisiert gegen den Faschismus unter Einsatz ihres Lebens kämpften.

Die SS setzte in den Konzentrationslagern nachweislich willfährige Kriminelle (im Nazi-Jargon „Berufsverbrecher“) gezielt als Funktionshäftlinge zur Aufrechterhaltung der faschistischen KZ-Lagerordnung, zur Überwachung und organisierten Drangsalierung bis zur grausamen Ermordung von politischen und anderen KZ-Häftlingen ein. Diese Funktionshäftlinge, oft Berufsverbrecher, waren unter den anderen Häftlingen gefürchtet und verhasst. So zu tun, als wären diese Personen unschuldige Opfer, ignoriert die grausame Realität und die Verbrechen, die innerhalb der Lager begangen wurden. Natürlich ist es richtig, die menschlichen Aspekte und die individuellen Geschichten zu würdigen. Es gab auch unter Kriminellen genug Menschen, die sich „anständig“ verhielten. Aber eine pauschale Anerkennung dieser Gruppe als Opfer, ohne differenzierte Betrachtung ihrer Handlungen und Motive, verzerrt die historische Wahrheit und schmälert die Ehre und das Andenken der echten Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer.

Eine zentrale Aufgabe des politischen Lagerwiderstandes war übrigens, diese Kriminellen aus den Lagerfunktionen Schritt für Schritt zu verdrängen und durch politische Häftlinge zu ersetzen.

Die durch diese überfallsartige Novellierung des Opferfürsorgegesetzes betriebene Aufweichung des Opferbegriffs setzt einmal mehr die historische Bedeutung und die Anerkennung der Heldentaten des politischen Widerstands herab. Eine differenzierte und wissenschaftlich fundierte Debatte über die Begrifflichkeiten ist notwendig, um der historischen Wahrheit gerecht zu werden und das Andenken an die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer aufrecht zu halten.

Die KZ-Verband/VdA Oberösterreich lehnt daher eine pauschale und unpolitische Aufweichung der Begrifflichkeiten „Widerstand gegen den Faschismus“ und „Opfer des Faschismus“, die langfristig nur den Sinn haben kann, die Ehre und die Anerkennung der historischen Heldentaten des politischen Widerstandes und österreichischen Freiheitskampfes zu schmälern, strikt ab.

aus: „mahnruf oberösterreich. Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie“, Nr 2/2024 (16).