Am Sonntag, 5. Mai 2024 fand die traditionelle internationale Befreiungsfeier in der Gedenkstätte Mauthausen statt. An diesem Tag war auch die Todesstiege kurzzeitig wieder zugänglich und so konnten auch heuer wieder vor allem die nationalen wie internationalen Jugendorganisationen über die Todesstiege zum Einzug auf den Appellplatz hinaufgehen.
Der KZ-Verband/VdA Oberösterreich führte wieder im Rahmen der Befreiungsfeier die Gedenkkundgebung bei der 2001 enthüllten Gedenktafel für die 42 Antifaschisten, die vom 28. auf 29. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, in die Gaskammer getrieben und ermordet wurden, durch.
Die Gedenktafel der 42 an der Klagemauer ist ein wichtiges Erinnerungssymbol für den unbeugsamen österreichischen politischen Widerstand gegen den deutschen Faschismus, für ein freies, demokratisches Österreich.
Der Landesvorsitzende des KZ-Verband/VdA Oberösterreich, Harald Grünn erinnerte in seiner Gedenkrede daran, dass die meisten der 42 Teil der sogenannten „Welser Gruppe“ waren. Diese weit verzweigte Widerstandsorganisation wurde von der Gestapo im September 1944 zerschlagen, die meisten Männer wurden direkt nach Mauthausen eingeliefert. Nur einer, Richard Dietl, konnte sich mit Unterstützung des Lagerwiderstands dem Mordbefehl entziehen und so nach der Befreiung vom Schicksal, von Tapferkeit und Leid der „Welser Gruppe“ in Mauthausen berichten.
Die Bezeichnung „Welser Gruppe“ stammt von der Gestapo aus deren erhalten gebliebenen Planskizze über den „Stand der illegalen Kommunistischen Partei Österreichs, Gebiet Oberdonau“ hervorgeht, dass zumindest 158 Männer und Frauen verhaftet wurden. Diese Widerstandsorganisation war in den Gemeinden Ebensee, Gmunden, Gschwandt, Laakirchen, Lambach, Linz, Steyr, Stadl-Paura und Wels verankert. In diesen Orten gab es in den wichtigsten Betrieben illegale Widerstandsgruppen. Die Widerstandsorganisation umfasste Menschen unterschiedlicher politischer Gesinnung, wobei jedoch die Kommunisten die führende Rolle einnahmen.
Am 7. September 1944 begann die Verhaftungswelle der Gestapo gegen die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer der „Welser Gruppe“.
Exemplarisch erinnerte der Landesvorsitzende an Widerstandskämpfer Willibald Zelger, der am 17. November 1907 in London geboren wurde. Sein Vater stammte ursprünglich aus Südtirol, war um die Jahrhundertwende Fotograf in London und kehrt kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Österreich zurück, da er als österreichischer Staatsbürger interniert worden wäre. Zelger sen. gründete während des Krieges in Wels eine Pferdeschlachterei, aus der sich im Laufe der Zeit die „Fleischindustrie W. Zelger“ entwickelte. Willibald Zelger jun. war musisch begabt und wollte nicht die Fleischhauerei übernehmen. Er schlug schließlich eine Laufbahn als Elektriker ein. Am 17. Mai 1941 wurde Zelger bereits wegen Abhörens ausländischer Rundfunksender verhaftet und zu 15 Monaten Zuchthaus verurteilt. Seine Haft saß er im Landesgericht Linz und in der Strafanstalt Garsten ab. Da er englischer Staatsbürger war, wurde Zelger jun. Von seiner Familie immer aufgefordert in die Schweiz zu flüchten. er wollte jedoch seine Verlobte Anna und seinen Vater nicht zurücklassen. Als „feindlicher Ausländer“ benötigte Zelger zur Eheschließung eine „Befreiung von der Beibringung eine Ehefähigkeitzeugnisses“ durch „den Reichsführer SS Reichsinnenminister“. Diese wurde ihm mit der Auflage erteilt, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft annehme. 1944 schloss sich Willibald Zelger der „Welser Gruppe“ an.
Willibald Zelger wurde gleich am ersten Tag der Verhaftungswelle, am 7. September 1944, fünf Tage vor der geplanten Hochzeit mit Anna Kalcher, seiner Verlobten, inhaftiert und – so wie die meisten Männer – in das KZ Mauthausen überstellt. Insgesamt wurden mindestens 158 Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer verhaftet. Seine Verlobte war bei der Verhaftung bereits schwanger. Sie versuchte in der Folge unermüdlich, Kontakt zu Willibald Zelger aufzunehmen, dies wurde jedoch immer wieder von der Gestapo und der SS verhindert. Wie ein Bericht des Überlebenden Richard Dietl schildert, wurden die inhaftierten Mitglieder der „Welser Gruppe“ von Beginn an schwer misshandelt, manche schon früh nach ihrer Ankunft von der SS ermordet.
Im Jänner 1945 gebar Anna Kalcher im siebten Schwangerschaftsmonat den gemeinsamen Sohn, der ebenfalls den Vornamen Willibald erhielt. Gleichzeitig musste sie nun um das Leben ihres Sohnes sowie ihres Verlobten bangen.
Um keine „aufbauwilligen Kräfte“ übrigzulassen, wurden auf direkten Befehl in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945 42 Widerstandskämpfer, unter ihnen Widerstandskämpfer Willibald Zelger, in der Gaskammer von Mauthausen ermordet.
Der Landesvorsitzende schloss die Würdigung von Widerstandskämpfer Willi Zelger mit den Worten: „Wir sind unseren Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern für diesen opfervollen Kampf für immer zu Dank verpflichtet, wir werden ihre Taten in Erinnerung behalten, sie sind uns Verpflichtung im Hier und Jetzt in Ihrem Sinne zu handeln!“
Im Anschluss erinnerte der Landesvorsitzende an aktuellen Herausforderungen.
Aktiver Antifaschismus bedeute, sich für die sozialen und demokratischen Rechte der Menschen einzusetzen, weiters für Frieden, Völkerverständigung und die Neutralität Österreichs einzutreten und jede Einbindung Österreichs in EU- und NATO-Militärstrukturen strikt abzulehnen, so Grünn.
Der Landesvorsitzende sprach sich auch gegen die wiederholte Ausladung offizielle Vertreter Russlands und Belarus von der Befreiungsfeier Mauthausen aus. Die Russische Föderation, als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, habe das Gedenken an den antifaschistischen Befreiungskampf, seiner Helden und Opfer und den Schutz seiner Gedenkstätten und Mahnmale immer sichergestellt, so Grünn. Beide Staaten – Russland und Belarus – mussten während des Überfalls Nazi-Deutschlands (1941-1945) unvorstellbare Opfer und Leiden erdulden, während österreichische Soldaten und Nazi-Schergen dort im Rahmen deutscher Kriegshandlungen zahlreiche Kriegs- und andere Verbrechen begingen. Ohne die Befreiung Wiens durch die Rote Armee hätte es keine Gründung der 2. Republik am 27. April 1945 durch SPÖ, ÖVP und KPÖ gegeben. Der Landesvorsitzende wies die einseitige Ausgrenzung im Interesse einer offensichtlichen Kriegstreiberei klar zurück. Neben Protesten beim Mauthausen-Komitee gegen die Ausladung setze man auch als Organisation klare Zeichen der Völkerfreundschaft. Der KZ-Verband/VdA Oberösterreich gedenkt bei verschiedenen Gelegenheiten gemeinsam mit Vertretern der Russischen und Belarussischen Botschaft an die Opfer des Faschismus. Grünn bedankte sich an dieser Stelle auch für Ehrung der 42 Widerstandskämpfer durch die Russische Botschaft.
Der Landesvorsitzende verwies weiters auf die Vorgeschichte und Ursachen des militärischen Konflikts in der Ukraine, wobei das Thema der NATO-Ost-Erweiterung oftmals ausgeblendet wird, ebenso welche Kräfte in der Ukraine seit 2014 offen am Werken sind: Jene, die den Nazi-Kollaborateuren huldigen und in deren Tradition stehen, jene die Erinnerungszeichen an die Befreiung vom Faschismus zerstören. Der ungesühnte Massenmord von Odessa vom 2. Mai 2014, der sich vor wenigen Tagen zum 10. Male jährte, ist ebenso nicht vergessen wie der Jubel für einen ehemaligen ukrainischen SSler im kanadischen Parlament.
Der Landesvorsitzende schloss mit der Aufforderung, „die Erinnerung an die Männer und Frauen des österreichischen politischen Widerstandskampfs, an ihre Überzeugung, an ihren Mut und ihre Taten wachzuhalten„.
Es folgte die Gedenkrede vom Vorsitzenden der PdA, Tibor Zenker. Die würdige Gedenkkundgebung wurde mit dem Lied „Die Moorsoldaten“ abgeschlossen.
Anschließend nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Einladung der Botschaft Kubas auch an der Gedenkkundgebung vor der Tafel der in Mauthausen ermordeten Kubanischen Internationalisten teil.
Fortgesetzt wurden die Ehrungen mit einigen Kranzniederlegungen im Denkmalpark. Auf Einladung des KZ-Verband/VdA Oberösterreich fanden – wie im vergangenen Jahre – gemeinsame Kranzniederlegungen mit dem Koordinationsrat der Organisation russischer Landsleute statt.
Die gemeinsamen Kranzniederlegungen begannen beim Denkmal für General D. M. Karbyschew vor dem Lagertor und fanden ihre Fortsetzung bei der Gedenktafel für General D. M. Karbyschew an der Klagemauer. Anschließend fand die gemeinsame Kranzniederlegung beim Denkmal der UdSSR statt.
Vor Beginn des Einzugs fanden auch noch Ehrungen beim Denkmal der Republikanischen Spanier sowie beim Denkmal der DDR statt.
Um 11 Uhr begann die Hauptkundgebung am Appellplatz. Erstmals seit längerem zogen die nationalen wie internationalen Delegationen wieder durch das Lagertor auf den Appellplatz ein. Der Zug der österreichischen Jugenddelegationen, der gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der NS-Opferverbände Oberösterreich organisiert wird, zog traditionell als Letzte auf den Appellplatz und ehrten die Opfer des Faschismus.
Nach der Hauptkundgebung fanden noch zwei weitere Gedenkkundgebungen der Jugend statt.
Erfreulich war die hohe Zahl junger Menschen, die sowohl vom Ausland auch insbesondere aus unserem Land teilnahmen und die Traditionen der Befreiungsfeiern von Mauthausen würdig fortsetzen.
Bereits am Vortag fand ein begleiteter Rundgang – beginnend im Steinbruch – in der Gedenkstätte Mauthausen mit vor allem jungen Arbeitenden statt. Der inhaltliche Schwerpunkt „Politischer Widerstand“ wurde mit zahlreiche Biographien von politischen Opfern des Faschismus an den besuchten Orten ergänzt, um deren Namen und Schicksal nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Stationen umfassten neben dem Steinbruch das Sanitätslager bzw. Russenlager, den Denkmalpark und das Karbyschew-Denkmal, das Denkmal am Aschenfriedhof, die Hinrichtungsstätte, das Hauptlager mit Block 20, Krematorium und Bunker und fand den Abschluss vor der Gedenktafel der 42 an der Klagemauer.