In Oberösterreich regt sich heftiger Widerstand gegen ein von 5.-7. Oktober 2007 geplantes Burschenschafter-Treffen in Linz. Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus wie Rudolf Haunschmid (KZ-Verband/VdA OÖ), der Spanienkämpfer Hans Landauer oder die KZ-Überlebende Ceija Stojka haben gemeinsam mit Prominenten einen vom OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus formulierten Aufruf gegen die geplanten Burschenschafter-Umtriebe unterzeichnet.

Am Samstag, 6. Oktober 2007 demonstriert das „Antifabündnis gegen den Turmkommers“ in der Linzer Innenstadt gegen die deutschnationalen Umtriebe.
Treffpunkt: 18:00 Uhr Linz, Hauptplatz

Der Aufruf
ÖSTERREICHISCHE LAGERGEMEINSCHAFT MAUTHAUSEN
MAUTHAUSEN KOMITEE ÖSTERREICH
OÖ. NETZWERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS

Nein zum ewiggestrigen Burschenschafter-Kommers in Linz!

Linz nahm unter dem NS-Regime eine besondere Stellung ein: Es gehörte zu den fünf „Führerstädten“ Adolf Hitlers. Das belastende Erbe des Nationalsozialismus wurde von der Stadt während der letzten Jahre in offener und mutiger Weise aufgearbeitet.

Nun droht Linz Schauplatz eines ewiggestrigen Spektakels zu werden: Von 5. bis 7. Oktober 2007 wollen sich deutschnationale Burschenschafter zu einem „Turmkommers“ treffen. Gefeiert werden soll der Ankauf eines Linzer Festungsturms vor 90 Jahren und seine „Weihe“ vor 75 Jahren. Dieser Turm wird „Burschenschafter-“ oder „Anschlussturm“ genannt.

In seinem Jahreslagebericht 1999 stellte das Innenministerium zu mehreren österreichischen Burschenschaften fest: „Die Agitation dieser Studentenverbindungen lässt auch den Versuch erkennen, auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen.“ Ein Jahr später kündigten die Behörden ebenfalls im Jahreslagebericht an, dass der von mehreren „Burschenschaften unterschwellig ausgehenden rechtsextremen Ideologieverbreitung (…) im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin besonderes Augenmerk zugewendet wird“.

Tatsächlich gibt es für rechtsextremes Gedankengut in den Burschenschaften sehr konkrete Belege. Das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ schreibt: „Die Grazer „Arminia“ hält das Andenken an ihren „Bundesbruder“ Ernst Kaltenbrunner – als einer der Haupttäter des NS-Vernichtungswerkes in Nürnberg hingerichtet – bis heute hoch. Der Euthanasiearzt und erste Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, Irmfried Eberl, wird immer noch als „Alter Herr“ der Innsbrucker „Germania“ geführt. Ein anderer Kriegsverbrecher, der zu lebenslanger Haft verurteilte Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, wurde 1987 vom Dachverband „Deutsche Burschenschaft in Österreich“ sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.“

Auch nach dem Holocaust spielt der Antisemitismus in den Burschenschaften eine wesentliche Rolle. Die Innsbrucker „Suevia“ betonte 1960: „Wir stehen auf dem allein burschenschaftlichen Standpunkt, dass somit auch der Jude in der Burschenschaft keinen Platz hat.“ Im November 1961 verwüsteten zwei Burschenschafter den jüdischen Friedhof in Innsbruck. Einer der beiden Täter, Mitglied der „Suevia“, hatte zuvor gereimt: „ … der einzige Feind, den es wert ist zu hassen und unter Umständen auch zu vergasen, ist doch der ewige Jude … “ Die Innsbrucker „Brixia“ lud 1989 den britischen Holocaust-Leugner David Irving zu einem Vortrag ein. Weil Irving aber von den österreichischen Behörden zur Fahndung ausgeschrieben wurde, musste die „Brixia“ mit ihm in das benachbarte Bayern ausweichen. 2005 wurde der Haftbefehl gegen Irving dann vollstreckt: Am Vorabend einer Veranstaltung der Wiener „Olympia“, auf der der Holocaust-Leugner als Festredner auftreten sollte.

Den Linzer „Anschlussturm“, den der geplante Kommers würdigen will, bewertet das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ als „steinerne Anschlusspropaganda“ und damit als „permanenten Verstoß gegen den Staatsvertrag“. Denn Artikel 4 des Staatsvertrages verpflichtet Österreich, „großdeutsche Propaganda“ zu verhindern.

Entgegen den Behauptungen der Burschenschaften ist „Anschlussturm“ keineswegs eine harmlose geographische Bezeichnung. Schon 1928 erklärte die „Deutsche Burschenschaft“, dass „der Turm in Linz (…) zu einem Anschlussdenkmal ausgebaut werde“. Vor der „Weihe“ am 15. und 16. Oktober 1932 wurde deshalb am Turm die Inschrift „Ein Volk, ein Reich“ angebracht. Und noch heute nennt die „Deutsche Burschenschaft“ den „Anschlussturm“ auf ihrer Homepage eine „Erinnerungsstätte daran, dass es über die Grenzen und die Einzelstaatlichkeit hinaus ein geistiges Band gibt, welches den gesamten deutschen Volks- und Kulturraum umfasst.“ (siehe http://www.burschenschaft.de/burschenschafterturm/burschenschafterturm.htm ) Nicht zufällig weht über dem Turm noch immer eine Fahne in den deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold.

Die Unterzeichneten lehnen den geplanten „Turmkommers“ der Burschenschaften als ewiggestriges Spektakel ab. Dieses Spektakel würde dem Ruf von Linz, das 2009 „Europäische Kulturhauptstadt“ sein wird, nachhaltigen Schaden zufügen. Im Geiste des Staatsvertrages richten wir an die politischen Verantwortungsträger der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich den dringenden Appell, sich vom „Turmkommers“ und seinem großdeutschen Hintergrund zu distanzieren sowie alle demokratischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Durchführung des Kommerses zu verhindern. Darüber hinaus ersuchen wir die Verantwortungsträger jener Einrichtungen, in denen Kommersveranstaltungen stattfinden sollen (laut veröffentlichtem Programm die Johannes-Kepler-Universität, das Palais Kaufmännischer Verein und das Traditionsgasthaus „Klosterhof“), den Burschenschaften keine Bühne für ihre rechtsextremen Inhalte zu bieten.
Brigitte Bailer-Galanda Leiterin des Dokumentationsarchivs des österr. Widerstandes
Alfred Dorfer Kabarettist
Robert Eiter Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Raimund Fastenbauer Generalsekretär des Bundesverbandes Israelit. Kultusgemeinden
Franzobel Schriftsteller
Barbara Frischmuth Schriftstellerin
Rudolf Habringer Schriftsteller
Gerhard Haderer Zeichner
Ferdinand Hackl Spanienkämpfer
Josef Haslinger Schriftsteller
Rudolf Haunschmid Widerstandskämpfer und Ehrenvorsitzender des oö. KZ-Verbandes
Peter Huemer Publizist und Historiker
Elfriede Jelinek Schriftstellerin (Nobelpreis für Literatur)
Günter Kaindlstorfer Kulturjournalist
Michael Köhlmeier Schriftsteller
Walter Kohn Naturwissenschafter (Nobelpreis für Chemie)
Harald Krassnitzer Schauspieler
Peter Kreisky Wirtschaftswissenschafter
Hans Landauer Spanienkämpfer
Albert Langanke Generalsekretär des Internationalen Mauthausen Komitees
Erich Lessing Fotograf
Hannah M. Lessing Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich
Hans Marsalek KZ-Überlebender und Obmann der Österr. Lagergemeinschaft Mauthausen
Markus Marterbauer Wirtschaftswissenschafter
Thomas Maurer Kabarettist
Robert Menasse Schriftsteller
Willi Mernyi Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich
Johnny Moser Historiker
Ernst Nedwed stv. Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer
Wolfgang Neugebauer Historiker
Elisabeth Orth Schauspielerin und Präsidentin der Aktion gegen den Antisemitismus
Kurt Palm Regisseur
Anton Pelinka Politikwissenschafter
Doron Rabinovici Schriftsteller
Oliver Rathkolb Historiker
Franz Richard Reiter Publizist
Willi Resetarits Musiker
Eva Rossmann Schriftstellerin und Journalistin
Gerhard Roth Schriftsteller
Hans-Henning Scharsach Autor
Heribert Schiedel Rechtsextremismus-Experte
Robert Schindel Schriftsteller
Erwin Steinhauer Schauspieler und Kabarettist
Ceija Stojka KZ-Überlebende
Alfred Ströer Vorsitzender des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer
Peter Turrini Schriftsteller