Linz gegen Rechts-Demo-Anmelder KJÖ und SJ OÖ akzeptieren folgenschweres Gerichtsurteil nicht.

Im Jahr 2016 fand in Linz eines der größten rechtsextremen Vernetzungstreffen im deutschsprachigen Raum statt. Das Bündnis „Linz gegen Rechts“ organisierte dagegen eine riesige Demonstration, die sich gegen Rassismus, Hass und Hetze und für ein solidarisches und gemeinsames Miteinander aussprach. Nun stellt ein folgenschweres Gerichtsurteil das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit in Frage und bringt die Demonstrationsanmelderinnen in große Bedrängnis. Die Anmelderinnen der Demonstration, die Kommunistische Jugend Österreichs (KJÖ) und die Sozialistische Jugend Oberösterreich (SJ OÖ) wurden geklagt, weil während der Demonstration ein Sachschaden auf einem Gebäude entlang der Demoroute entstand. Das Bezirksgericht Linz sprach den Klägern nun in erster Instanz Schadenersatz zu, inklusive Prozesskosten sollen die beiden Jugendorganisation eine Summe von 23.263,45 € bezahlen. SJ OÖ und KJÖ werden dieses Urteil nicht akzeptieren und gehen in Berufung!

„Wer Demokratie lebt, darf dafür nicht bestraft werden. Es ist daher unsere demokratische Pflicht in Berufung zu gehen. Denn dieses Urteil bedeutet nichts anderes, als das Aus des Versammlungsrechtes in Österreich. Das werden wir nicht zulassen!“, gibt sich Nina Andree, Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend Oberösterreich, kämpferisch. „Wenn wir unsere Meinung nicht mehr auf die Straße tragen können, ohne Gefahr zu laufen für Schlicht weg alles zur Verantwortung gezogen zu werden – noch dazu egal ob man als AnmelderIn korrekt gehandelt hat oder nicht – steuern wir auf düstere Zeiten zu. Es ist ein Angriff auf antifaschistische Arbeit und es ist vor allem ein Angriff auf die Demokratie.“

„Das Recht auf Verhandlungsfreiheit ist eines unserer wichtigsten demokratischen Rechte! Wenn wir dieses Gerichtsurteil akzeptieren würden, würden wir auch akzeptieren, dass dieses Grundrecht massiv beschnitten und angegriffen wird. Das können und wollen wir nicht zulassen!“, erklärt Raffael Schöberl, Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs, unisono und ergänzt: „Da uns die gesamtpolitische Tragweite dieses Urteils bewusst ist, werden wir in Berufung gehen.“

Um die anmeldenden Organisationen in ihrem Gerichtsprozess zu unterstützen, hat das Bündnis „Linz gegen Rechts“ die Spendenkampagne „Demokratie in Gefahr: Versammlungsfreiheit verteidigen!“ ins Leben gerufen. Mit dem gesammelten Geld sollen die Anwalts- und Verfahrenskosten gedeckt werden. Sollten durch einen erfolgreichen Verlauf des Prozesses weniger Kosten als befürchtet auf die anmeldenden Jugendorganisationen zukommen, wird das Geld dem Bündnis „Linz gegen Rechts“ zur Verfügung gestellt, um auch in Zukunft eine starke antifaschistische Stimme in Linz und Oberösterreich zu haben.

Die Rechtsanwälte der Kommunistischen Jugend Österreichs arbeiten gerade an der Berufung des Urteils, ohne den Inhalt vorwegnehmen zu wollen, können die Anwälte der KJÖ bereits jetzt angeben: „Eine Haftung des Anmelders bzw. Leiters einer Demonstration für sämtliche Schäden, die von Teilnehmern der Demonstration verursacht wurden, ist gesetzlich nicht vorgesehen und wäre auch mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Dem Anzeiger die Haftung für das Verhalten sämtlicher Teilnehmer einer Demonstration aufzubürden käme einer intentionalen Beschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gleich, die dessen Anwendungsbereich völlig aushöhlen würde.“ – Bernd Wiesinger (Rechtsanwalt)

Der Rechtsanwalt der Sozialistischen Jugend Oberösterreich, Michael Pilz, gibt folgende Erklärung ab: „Das vorliegende Urteil ist ein schlecht begründeter Eingriff in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit. Das Erstgericht versucht aus dem Umstand, dass am Beginn der Demonstration bereits Personen teilnahmen, die möglicherweise gegen das öffentlich-rechtliche Vermummungsverbot verstoßen haben, eine Haftung der Demonstrationsleitung zu konstruieren, die nach der Auffassung des Gerichtes gezwungen gewesen sei, diese Personen aus dem Demonstrationszug zu entfernen, um eine Haftung für nachfolgende Sachbeschädigungen zu vermeiden. Dabei übersieht das Erstgericht, dass der Demonstrationsleitung gar keine rechtlichen Handhaben und tatsächlichen Zwangsmittel zur Verfügung standen, um auf die Einhaltung des Vermummungsverbotes zu achten; sie ist dazu auch nicht gezwungen, da das Vermummungsverbot eine öffentlich-rechtliche Ordnungsvorschrift ist.

Bemerkenswerterweise haben auch die den Demonstrationszug begleitenden Sicherheitskräfte keine Veranlassung gesehen, wegen tiefer ins Gesicht gezogener Kapuzen einzelner Demonstrationsteilnehmer einzuschreiten. Ungeachtet dessen konstruiert das Erstgericht eine Haftung, da bei „einer unüberschaubaren Anzahl von Schädigern, etwa bei Großdemonstrationen, eine Solidarhaftung unangemessen scheine. Im Ergebnis wäre daher eine Haftung der beklagten Parteien zu bejahen“. Diese Begründung entbehrt jedes rechtlich vertretbaren Substrates. Letztlich wird das Urteil schon deswegen aufzuheben sein, da das Erstgericht ohne erkennbare Rechtfertigung zwischen den Anmeldern der Demonstration einerseits und den Demonstrationsleitern andererseits nicht differenziert; letztgenannte waren natürliche Personen, wobei die von der klagenden Partei in Anspruch genommenen Organisationen aber lediglich als Anmelder der Demonstration fungierten.

Dieses Urteil wird, so meine Einschätzung, vor dem Landesgericht Linz nicht halten; sollte dies wider Erwarten der Fall sein, wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darüber zu entscheiden haben, ob im Umweg über eine Schadenersatzhaftung für das Verhalten Dritter das Demonstrationsrecht beschnitten werden darf.“

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